SPD Hohenloher Ebene

Kommentare, Glossen und Besserwisserei

Veröffentlicht am 13.09.2024 in Allgemein

Zugegeben, der folgende Text ist nicht unbedingt leichte Kost, aber die Verhältnisse fordern auch Auseinandersetzungen zu unserem Umgang mit für die Zukunft dringlichen Themen. Wenn sich Gesellschaften angewöhnen, dringend vorzunehmenden Änderungen nur negativ zu begegnen, dann führt dies bei vielen Menschen offensichtlich dazu, sich lieber "alternativen Fakten" zuzuwenden. Dies hat fatale Folgen, da Zeit für dingend nötige Entwicklungs- und Veränderungsschritte verstreicht und künftige Aufgaben noch viel schwieriger zu bewältigen sein dürften. Deshalb möchte ich eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen und - vor allem - möglichen Lösungswegen anregen. 

Diesem ersten Beitrag mit einer Lagebeschreibung sollen möglichst Beschreibungen folgen, die unsere Bereitschaft und Kreativität für Lösungen in den Vordergrund stellen. 

Nachhaltig infantil?

Die vergangenen Jahre brachten einige Veränderungen in der öffentlichen Auseinandersetzung hinsichtlich Fakten, die durch eine weitgehend abgesicherte wissenschaftliche Basis fundiert sind. Häufig bezeichnen wir Erkenntnisse und Messungen zurecht als Fakten. Wie endgültig solche Fakten sein können, hängt vom Gegenstand der Betrachtung, vor allem aber auch von technischen Instrumenten ab, die zu einem Erkenntniswandel beitragen. Entsprechende Teleskope trugen beispielsweise dazu bei, dass wir viel mehr und exakter über die Beschaffenheit des Weltalls informiert sind.

Weitgehend unumstritten scheint zum Beispiel die Erkenntnis, dass es sich bei der Erde nicht um eine quadratische Scheibe, sondern um eine ( nicht exakt geformte ) Kugel handelt, oft als Erdball bezeichnet.

Letztlich handelt ernst zu nehmende Wissenschaft im allgemeinen nach dem Prinzip der Vorläufigkeit, unter anderem durch die Setzung von Hypothesen und der Arbeit daran, diese zu bestätigen ( durch Messung, Zahl, Laborwissenschaft, Felduntersuchungen etc., je nach Wissensgebiet ), oder eben mit nachvollziehbaren und vergleichbaren Methoden und Wegen zu widerlegen.

Zum Leidwesen vieler Menschen traten und treten nun immer wieder bestimmte Erkenntnisse zutage, die unser tägliches Dasein und unsere Lebensführung betreffen. 

Eines dieser „unangenehmen“ Themen ist der Klimawandel und seine Folgen. Diese Folgen scheinen so herausfordernd – in Teilen bedrohlich, dass wir Menschen uns zu einer Änderung unserer Lebensweise gezwungen sehen müssten. „Clevere Menschen“ haben sich deshalb vorgenommen, die Fakten, die diesen Erkenntnissen zugrunde liegen, durch „alternative Fakten“ zu negieren, letztlich das gesamte wissenschaftliche Gebäude hinter diesen Erkenntnissen zu ignorieren oder gar zu zerstören. Dies soll unabhängig von den im Grunde leicht ersichtlichen Folgen dieses Klimawandels geschehen – indem neben den wissenschaftlichen Fakten nun auch gleich noch die Folgen negiert oder „alternativ“ gedeutet werden. Weltweite Bekanntheit erhielt der Begriff „alternative Fakten“ durch die damalige Sprecherin von Donald Trump, die mit diesem Begriff das Regierungs- handeln des ( „weird“ ) Präsidenten zu erklären versuchte. Die reaktionären Medien in den USA und darüber hinaus griffen diesen Begriff mit Dankbarkeit auf, wurde es damit doch leichter, das Handeln eines unberechenbaren Präsidenten zu „verkaufen“. Wichtig wurde dieser Begriff aber für Menschen und Organisationen, die mit den weithin anerkannten Fakten ihre Probleme hatten, nun jedoch mit diesen „alternativen Fakten“ nahezu alles behaupten und „belegen“ zu können.

Spätestens während der Corona- Pandemie mussten wir erfahren, dass diese alternativen Fakten zuhauf auftauchten, nicht nur, aber vorwiegend auf Social Media – Plattformen. Hier bestand die Möglichkeit, solche „Erkenntnisse einer alternativen Wissenschaftscommunity“ erstmalig weltweit einer tradierten Wissenschaftlichkeit entgegen zu stellen. Zusammen hiermit konnten dann weitere „Gewissheiten“ hinsichtlich einer bösen Elite, die unsere Menschheit manipulieren und letztlich auslöschen wolle, auf wiederum manipulative Weise leicht weltweit gestreut werden. Ein Beispiel hierfür wurde QAnon. Unter diesem „Label“ wurde die Menschheit mit schauerlichen Geschichten über Eliten, die sogar kleine Kinder töten würden, um aus ihrem Blut ein Elixier für ewiges Leben der wenigen Beteiligten zu gewinnen. Wer jetzt fragt, ob ich mir dies nur ausgedacht hätte, schaue sich einmal unter dem Label im Internet um.

Obwohl es auch hierfür genügend weitere Beispiele gibt, möchte ich keine weiteren Belege auflisten.

Rechtsextreme berufen sich in letzter Zeit wieder vermehrt auf einen „gesunden Menschenverstand“, der natürlich ihre Ansichten belegen soll. Das wäre aber ein neues Thema. Die beschriebenen Versuche der Einflussnahme auf den Menschenverstand durch „alternative Fakten“ dienen einer Beeinflussung der Wahrnehmung in Richtung des so definierten „gesunden Menschenverstandes“. Über den „ungesunden Menschenverstand“ können sich Extremisten dann leicht verständigen, um ihn bei Gelegenheit auf ihre Weise zu „heilen“ ( siehe hierzu die Erfahrungen der deutschen Geschichte zwischen 1933 und 1945 ). Dies ist aber ebenfalls ein separates Thema.

Jetzt endlich zum Kern meiner Ausführungen:

Hierzu zunächst eine kurze Definition von Erwachsensein:

Als erwachsen werden Menschen nach Abschluss der Adoleszenz bezeichnet. Biologisches Synonym ist adult und bezieht sich auf die Geschlechtsreife. Allgemein geht man davon aus, dass der Erwachsene jene notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse erworben hat, die ihn befähigen, die für sein Leben und Fortkommen notwendigen Entscheidungen selbständig und eigenverantwortlich zu treffen.

( Wikipedia 2024 )

Selbstverständlich gibt es zu diesem Begriff noch andere, präzisere und umfassendere Definitionen, für den aktuellen Zweck soll diese Definition jedoch ausrechen.

Zu ergänzen ist, dass diese Definition ( „für sein Leben und Fortkommen“ ) auch nachfolgende Generationen, zumindest die eigenen Kinder, einbeziehen sollte, da es nicht bei der bloßen Reproduktion bleiben kann. Schließlich reicht unsere Verantwortung wesentlich weiter, über das Jetzt weit hinaus.

Nun, was hat die lange Einleitung zum Thema „alternative Fakten“ mit dieser Definition zu tun?

Wenn wir Menschen eine Überforderung durch große Herausforderungen befürchten, dann neigen nicht wenige dazu, sich ihrer Verantwortung durch Negierung zu entziehen. Wir wissen im Grunde alle, dass unser ökologischer Fußabdruck viel zu groß ist. Meiner, Ihrer, seiner oder ihrer…… Beachtliche Ausnahmen hiervon sollen nicht ignoriert werden.

Nehmen wir an dieser Stelle die Definition zum Erwachsensein, dann wären adäquate Reaktionen, Überlegungen und Handlungen (!) heranzuziehen, die uns helfen, diese Herausforderung zu bewältigen. Wenn uns unser eigenes Leben hierfür nicht wichtig genug ist, dann sollte uns das Leben nachkommender Generationen entsprechend wichtig werden. Soweit, so klar?

Nun setzt jedoch ein entscheidendes Problem ein. An dieser Stelle begegnen uns  solche Themen wie Gewohnheiten und Ansprüche. Außerdem fehlt häufig die direkte aktuelle Not, um Wissen in Handlung zu übersetzen. Da wir alle ein enormes Verdrängungsvermögen aufbringen können, schaffen wir es auch, dramatische Ereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel auszublenden. Dies gelingt besonders gut, wenn solche dramatischen Ereignisse relativ weit weg stattfinden. „Schlägt es jedoch im Nahbereich ein“, dann neigen wir schnell zu – ja genau – alternativen Erklärungen und billigen Schuldzuweisungen, um unser eigenes Handeln nicht ändern zu müssen. Gewohnheiten und über Jahrzehnte eingeübte Verhaltensweisen lassen sich nicht leicht verändern – jenseits von durch schwere Krankheiten oder Verletzungen erzwungene „Anpassungen“.

Das Niveau unserer Handlungen entspricht im Grunde in etwa dem kleinkindlichen Verhalten, sich die Augen zuzuhalten und zu sagen: du siehst mich nicht.

Deshalb bezeichne ich unser Verhalten, besonders aber das der Leugner eines menschengemachten Klimawandels als „nachhaltig infantil“.

Natürlich gibt es viele weitere Beispiele, von denen ich nur wenige aufgreifen will.

Die Corona-Pandemie stellte eine in der jüngeren Zeit selten dagewesene Herausforderung dar. Vieles war so neu und gleichzeitig dringlich, dass Maßnahmen zur Eindämmung immer wieder angepasst werden mussten, dass Irrtümer kaum zu umgehen waren, aber ein Handeln umfassend geboten. Die handelnden und verantwortlichen Akteur*innen hatten hierfür keine Vorlage, die ihnen erklären konnte, was nun Schritt für Schritt zu tun sei. Fehleinschätzungen können nicht ausbleiben – übrigens auch in unserem eigenen Leben, die wir aber gerne verdrängen oder gar komplett vergessen.

So wurden inzwischen die schrecklichen Bilder von Särgen, die sich zu Bergen häuften, und erschütterten Hinterbliebenen möglichst wieder verdrängt. Millionen von an und mit Corona Verstorbenen werden zumindest in Teilen der Gesellschaft einfach ignoriert bzw. sogar nachträglich negiert oder ins Lächerliche gezogen. Organisationen wie „Querdenken“ und sich daraus entwickelnde Parteien wie „dieBasis“ gingen dazu über mit „alternativen Wahrheiten“ im Sinne eines Steven Bannon in den sogenannten Social Media zu verbreiten, wobei es aber nicht blieb. Letztlich war diese Praxis ein wesentlicher Schlüssel zur Destabilisierung der ( westlichen ) Gesellschaften im Sinne einer Abkehr von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Dass hinter diesem Treiben immer wieder und in bedeutendem Ausmaß russische Initiativen der Desinformation zu finden waren und sind, überrascht niemanden, der sich mit der Entwicklung des sogenannten Cyberwar ( Krieg im digitalen Netz ) befasst. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine verstärkt sich dieser Krieg in den Medien noch mehr.

„Dankbare“ Abnehmer finden sich auch in Deutschland zuhauf, die einfache Erklärungen auf komplexe Fragen angeboten bekommen, auch wenn diese haarsträubende „Fakten“ anbieten.

Aktuell wird die Migration von konservativ- reaktionären Kreisen zur ( Achtung! ) „Mutter aller Probleme erklärt“, was ebenfalls einen Anschlag auf das menschliche Denken und die Erfahrungen derer darstellt, die sich tatsächlich mit Migration und den betroffenen Menschen befassen. Printmedien greifen derartige Erzählungen auf – geprüft oder ungeprüft, im Netz finden sich millionenfach geteilte Geschichten, die Migration pauschal verteufeln. Auf dieser Basis findet erwartbar kein fachlicher Austausch statt, sondern letztlich auch hier ein Beispiel für infantiles Abwehrverhalten. Ein genaues Hinsehen überfordert, lässt sich vor allem nicht so leicht in Kurznachrichten und Bildchen posten. Also….

Im persönlichen Tun treffen wir auf viele Beispiele, die ich hier aber sehr begrenzen möchte. Schauen wir auf unser Mobilitätsverhalten: klar ist, dass Flugreisen einen enorm großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen, was sich aktuell kaum irgendwie fachlich widerlegen lassen dürfte. SUVs werden zuhauf geordert und genutzt, auch von einer Mehrzahl von Menschen, die objektiv keinen Grund für einen „Groß-PKW“ finden dürften. Unser Verkehrswesen, die Infrastruktur und die Fahrzeuge, müssen wir verändern, das dürfte vielen Leuten klar sein. Hinsichtlich einer erforderlichen individuellen Verhaltensänderung bleibt es oft bei Appellen gegenüber anderen oder „der Politik“ – gleich wer tatsächlich Akteur*in ist.

Fehlende KiTa-Plätze und mangelhaft ausgestattete Schulen werden massiv beklagt, aber die Bereitschaft, mehr zur Finanzierung dieser zukunftsentscheidenden Einrichtungen beizutragen, ist gering ( sollen doch die und die mehr bezahlen! ).

An dieser Stelle sollen die Beispiele ein Ende finden. Insgesamt fordern wir „die Politik“ – ohne jedoch uns selbst mitzudenken und entsprechend zu handeln. Symptomatisch ist ein Satz, den ich tatsächlich schon gelegentlich zu hören bekam:  „Wieso soll ich mich und mein Verhalten ändern? Ich reagiere erst, wenn dies oder jenes vorgeschrieben wird, denn dann muss ich ja.“ Ein selbstentlarvender und komplett kindischer Satz, der einerseits Probleme nicht pauschal negiert, deren Lösung aber erzwungen werden soll. Dazu passt dann allerdings überhaupt nicht die Aussage, dass hier in D zu viele Vorschriften existieren, die unser Leben erschweren oder gar einschränken.

Abschließend hierzu noch ein subjektiver Eindruck: Politik wird von vielen Leuten zunehmend als eine Art Online- Handel angesehen. Wenn mir etwas nicht gefällt, wenn Maßnahmen zu lange dauern, wenn ich mehr beitragen soll, dann scrolle ich einfach weiter und suche mir eine andere Partei und Politik. Verstärkt wird dieser Eindruck noch, wenn Politik und Politiker*innen schnell „liefern“ sollen, gar immer wieder Äußerungen von politischen Akteur*innen in diesem Tenor zu vernehmen sind.   

Auch solche Betrachtungsweise von Politik muss zu Verdrossenheit führen, weil sie eben so nicht funktioniert.

TrumPeterSept2024/2